Im Fokus Nr. 24 vom 22.06.2023
“Viel Lärm um die Natur“
Vor genau einem Jahr – im Juni 2022 – hat die Europäische Kommission einen Verordnungsvorschlag zur Wiederherstellung der Natur veröffentlicht. Die KOM begleitet den Entwurf folgendermaßen: „Der Vorschlag für ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ist ein wichtiger Schritt, um den Kollaps von Ökosystemen zu verhindern und den schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels und des Biodiversitätsverlusts vorzubeugen. Die Wiederherstellung von Feuchtgebieten, Flüssen, Wäldern, Grasland, Meeresökosystemen und städtischen Gebieten in der EU und der darin vorkommenden Arten ist eine grundlegende, kostenwirksame Investition in unsere Ernährungssicherheit, unsere Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel, unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden.“ So weit so gut! Ehrlicherweise wurde der Entwurf beachtet, aber der kontroversen Diskussion um die SUR (Sustainable Use Regulation) Vorrang gegeben – national aber auch auf der europäischen Ebene. Aber eines Besseren wurde man belehrt. Denn dem Entwurf ist zu entnehmen, dass auf mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresgebiete der Union und bis 2050 auf allen Ökosysteme eine Wiederherstellung erforderlich ist. Der Vorschlag wird außerdem durch einen Umsetzungsrahmen ergänzt, mit dem die Ziele in die Tat umgesetzt werden sollen, indem nationale Wiederherstellungspläne ausgearbeitet und durchgeführt werden, darüber hinaus ist er ein Schlüsselelement der EU-Biodiversitätsstrategie.
Der federführende Umweltausschuss in Brüssel ist selten so gespalten gewesen, die Zurückweisung an die EU-Kommission scheiterte in der vergangenen Woche durch Stimmengleichstand (44:44). Der Agrarausschuss zeigt hier in der Ablehnung mehr Einigkeit. Die Endabstimmung im Europäischen Parlament steht noch aus. Mit dem Vorschlag nicht einverstanden ist auch die EVP-Fraktion (Europäische Volkspartei). Sie begründet ihre Ablehnung folgendermaßen: „Die EVP unterstützt geschlossen die Ziele des Green Deals. Wir unterstützen aber keine Verbotspolitik, die zu einem Rückgang der land- und forstwirtschaftlichen Flächen führen wird und damit unsere Ernährungssicherheit gefährdet. Wir unterstützen keine Politik, die die
Problematik der wachsenden Weltbevölkerung und des Klimawandels außer Acht lässt und unsere Ziele bei seltenen Rohstoffen und regenerativen Energien gefährdet. Um den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen, können wir nur gemeinsam mit allen Beteiligten, mit den Land- und Fortwirten und mit allen Bürgerinnen und Bürgern erfolgreich sein.“
Nun stehen sich für das Plenum des Parlaments gegenüber – die Progressive Allianz der Sozialdemokraten (S&D), die Grünen/EFA und die Vereinten Europäischen Linken/Nordischen Grünen Linken (GUE/NGL). Nicht sicher scheint sich die liberale Fraktion Renew Europe (RE) zu sein. Wie schon erwähnt, lehnt die EVP den Vorschlag ab, zurückhaltend sind die EU-Skeptiker der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) sowie der rechtspopulistischen Identität und Demokratie (ID).
Am vergangenen Freitag fand nun eine Plenardebatte im Deutschen Bundestag dazu statt. Hier wurde der Antrag der CDU/CSU Fraktion, den Vorschlag zeitlich nach hinten zu verschieben, nicht stattgegeben.
DER AGRARHANDEL wagt Blick in die Zukunft
Es sind turbulente Zeiten, in denen DER AGRARHANDEL heute seine Mitglieder zur Versammlung nach Mannheim einlud – seien es der Ukrainekrieg, die geplante Reduktion von Pflanzenschutzmitteln oder der Green Deal der EU: Die Welt des Agrarhandels steht vor großen Herausforderungen, wie der Verband betont.
„Eine starke Wirtschaft ist das Fundament einer starken EU!“, stellte Präsident Rainer Schuler zu Beginn der Veranstaltung klar. Deutschland und die EU sind Gunststandorte in der Getreideerzeugung und wichtige Akteure im weltweiten Agrarhandel. Doch DER AGRARHANDEL ist besorgt. „Durch die Beschränkungen der Farm-to-Fork-Strategie kann die EU ihrer globalen Verantwortung als Gunststandort mit hohem Ertragspotenzial nicht mehr gerecht werden“, erklärte der Präsident. Die geplante Reduzierung von Dünger- und Pflanzenschutzmitteln oder der Ausbau von Biodiversitätsflächen werden auch hierzulande Folgen haben.
Die Mitglieder diskutierten gemeinsam Folgenabschätzungen der Universitäten Kiel und
Bonn – von prophezeiten steigenden Lebensmittelpreisen um 20 bis 50 Prozent bis hin zur Senkung des Bruttoeinkommens der landwirtschaftlichen Betriebe in der EU um 16 Prozent. „Die Wissenschaft sagt es uns ganz deutlich. Die Gefahr, vom Getreideexporteur zum Getreideimporteur zu werden, ist groß – darüber muss gesprochen werden, auch politisch“, fordert Schuler eindrücklich. Sinkt der Selbstversorgungsgrad, macht sich auch Deutschland abhängiger von Lebensmittelimporten, die wiederum auch Verbraucher tiefer in die Tasche greifen lassen dürften. „Wir wünschen uns mehr Ehrlichkeit und klare Fakten in aktuellen Diskussionen. Nur so können wir uns den Herausforderungen der Zukunft stellen und ich sage bewusst: Wir. Unsere Versorgung mit Lebensmitteln geht uns alle etwas an“, schließt Schuler die Debatte.
Um sich auf kommende Prüfungen vorzubereiten, fordert DER AGRARHANDEL mehr Offenheit für neue Technologien und Innovationen, auch im züchterischen Bereich. Wissenschaft muss auch in der Politik mehr Gehör finden und neue Möglichkeiten ins Auge gefasst und geprüft werden. Auch die Schaffung neuer Liefer- und Absatzmärkte sieht der Verband als wichtige Aufgabe an. „Für uns bedeutet das im Klartext: Neue Ideen entwickeln, den Diskurs suchen, die Wissenschaft anhören und eine enge Vernetzung anstreben.“ Mit der Verschmelzung des Bundesverbands Agrarhandel e.V. (BVA) und des Vereins der Getreidehändler der Hamburger Börse e.V. (VdG) in 2022 geht DER AGRARHANDEL diesen Weg bereits vor. Auf der neu gestalteten Website des Verbandes (www.der-agrarhandel.de) und auf Twitter (@bva_vdg) finden Interessierte weitere Hintergründe zur Arbeit der Agrarhändler und aktuelle Informationen.
KURZ & KNAPP
Bundeskabinett beschließt Klima-Reform
Das Klimaschutzgesetz hat das Bundeskabinett passiert. Die Minister nahmen den Entwurf von Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch in Berlin an. Die Reform hatten die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP schon im Koalitionsvertrag vereinbart. Sie ist vor allem ein Anliegen der FDP, das die Grünen wenig begeistert akzeptiert haben. Die Einhaltung der Klimaziele soll nicht mehr rückwirkend nach verschiedenen Sektoren wie Verkehr, Industrie oder Landwirtschaft kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Die Bundesregierung als Ganzes soll künftig entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige CO2-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll. Allerdings erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt. Bis 2030 will Deutschland 65 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als 1990. Zurzeit beträgt die Minderung laut Umweltbundesamt rund 41 Prozent. Bis 2045 will Deutschland laut selbst gestecktem Ziel klimaneutral sein und nicht mehr Treibhausgase ausstoßen als auch wieder gebunden werden können.
Weitere Sorten von GV-Mais und GV-Soja genehmigt
Die EU-Kommission hat nach gründlicher Prüfung drei neue Sorten von genetisch verändertem (GV) Mais zur Verwendung als Lebens- und Futtermittel zugelassen. Zudem wurde die Zulassung für drei GV-Sojabohnen-Kulturen als Lebens- und Futtermittel verlängert, wie die Brüsseler Behörde mitteilte. Die Genehmigung umfasst nicht den Anbau in der EU. Alle Produkte, die daraus hergestellt werden, unterliegen den strengen Kennzeichnungs- und Rückverfolgbarkeitsvorschriften der EU.
Die GV-Kulturen durchlaufen demnach ein umfassendes und strenges Zulassungsverfahren, das ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt gewährleistet. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat die Zulassung nach wissenschaftlicher Prüfung empfohlen. Die Zulassung gilt für zehn Jahre. Die Mitgliedstaaten erreichten im Ständigen Ausschuss und im anschließenden Berufungsausschuss weder für noch gegen die Zulassung eine qualifizierte Mehrheit, wie es weiter hieß. In diesem Fall trifft die EU-Kommission die Entscheidung auf Grundlage der wissenschaftlichen Bewertung.
August-Börse am 24. August 2023
In diesem Jahr wollen wir uns wieder im Rahmen unserer traditionellen AUGUST-BÖRSE treffen und uns mit Ihnen persönlich austauschen. Mit Blick auf die Alster im Herzen Hamburgs bietet die August-Börse in neuer Location vielfache Gelegenheiten, sich mit neuen Kunden, Fachleuten auszutauschen, Ihre Netzwerke auszubauen sowie neue Verbindungen zu knüpfen. Merken Sie sich daher schon jetzt den Termin am Donnerstag, 24. August 2023, 14:30-18:00 im Ruderclub Favorite Hammonia vor.