Entwurf für neues Arbeitszeitgesetz vorgelegt
Bereits mehrfach haben wir Sie an dieser Stelle über aktuelle Entwicklungen zur Arbeitszeiterfassung informiert.
In der letzten Woche hat Bundesarbeitsminister Heil (SPD) einen Gesetzentwurf vorgelegt, um den Vorgaben des EuGH und des Bundesarbeitsgerichtes nachzukommen. Künftig soll für alle Beschäftigten in Deutschland die Arbeitszeit elektronisch erfasst werden. Eine Verbandsbeteiligung ist bislang nicht erfolgt, auch zum Zeitplan des Gesetzgebungsverfahrens gibt es noch keine neuen Informationen. Dennoch deutet sich an, wo die Reise hingeht:
- Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit sollen erfasst werden, von Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder zum Beispiel auch Vorgesetzten.
- Die Delegation der Aufzeichnungspflicht an die Arbeitnehmer oder einen Dritten ist zulässig, der Arbeitgeber muss dann aber Vorkehrungen treffen, um die Einhaltung von Höchstarbeits- und Ruhenszeiten zu kontrollieren.
- Kleinunternehmen mit bis zu zehn Arbeitnehmern dürfen eine nichtelektronische Aufzeichnung vornehmen.
- Für die Einführung der elektronischen Zeiterfassung soll eine Übergangsfrist von einem Jahr ab Inkrafttreten des Gesetzes gelten. Für kleine und mittlere Unternehmen wird diese Frist auf zwei (weniger als 250 Arbeitnehmer) bzw. fünf (weniger als 50 Arbeitnehmer) Jahre verlängert.
- Es gilt eine Aufbewahrungspflicht von zwei Jahren.
- Von den Vorgaben des Gesetzes kann abgewichen werden „durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung“ in folgendem Rahmen:
- für die Form der Aufzeichnung (auch nichtelektronisch),
- für den Zeitpunkt der Aufzeichnung (bis zum Ablauf des siebten Tages nach der Arbeitsleistung),
- für bestimmte Arbeitnehmer, „bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann“.
Wie ist zukünftig mit Vertrauensarbeitszeit umzugehen?
Ein umstrittener Punkt ist, ob mit dem Gesetz Vertrauensarbeitszeit weiter möglich bliebe. Damit ist gemeint, dass der Arbeitgeber nicht kontrolliert, wie viele Stunden tatsächlich gearbeitet werden. Im Entwurf heißt es dazu, die Möglichkeit von Vertrauensarbeitszeit werde durch die Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung nicht beeinträchtigt. Der Koalitionspartner FDP hat aber schon die Sorge geäußert, dass Vertrauensarbeitszeit doch unmöglich werden könnte. Auch bei Vertrauensarbeitszeit sind die gesetzlichen Ruhe- und Höchstarbeitszeiten einzuhalten. Festgelegt ist bisher, dass nach jedem Arbeitstag eine durchgehende Ruhezeit von mindestens elf Stunden folgen muss. Täglich darf grundsätzlich nicht mehr als acht Stunden gearbeitet werden. Bis zu zehn Stunden sind möglich, wenn dies wieder ausgeglichen wird, mehr aber nicht. Für diese Regeln sind im Gesetzentwurf keine Änderungen vorgesehen. Kritik daran kommt von Arbeitgebervertretern und auch von der CDU.
Bewertung
In einer ersten Bewertung ist festzustellen, dass es zwar noch schlimmer hätte kommen können, das Ministerium hier aber weit unter den Möglichkeiten geblieben ist, um die strengen Vorgaben durch die Rechtsprechung des EuGH für Unternehmen erträglicher zu machen. Um die bisherigen Regeln zur Höchstarbeits- oder Ruhenszeit an die moderne Arbeitswelt anzupassen, sind Änderungen dringend erforderlich. Diese Chance wurde wieder einmal vertan. Die Tariföffnungsklausel wird in unserer Branche mangels vorhandener Tarifverträge kaum Relevanz entfalten.
Auch fürchten wir, dass allein das Wort „elektronisch“ nicht bedeutet, dass es besser oder sogar reibungslos funktioniert. Das müssen gegenwärtig viele Unternehmen schon mit Einführung der eAU – der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – erfahren. Einigkeit besteht darüber, dass Arbeitnehmende keinesfalls unbezahlte Mehrarbeit leisten sollen. In Deutschland haben wir aber bereits umfassende Schutzrechte. Treffen europäische Gerichte strenge Entscheidungen, so ist es nach unserer Auffassung Pflicht des Gesetzgebers, an anderer Stelle Erleichterungen für Unternehmen und das Personalwesen zu schaffen. Tatsache ist jedoch, dass die Unternehmen gegenwärtig derart mit Dokumentationspflichten überzogen werden, dass die Personalarbeit leidet.
Wir werden die Anliegen der Agrarhandelsbranche über den Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA) und den AGA Unternehmensverband an die Politik transportieren und halten Sie über den Verlauf des Verfahrens informiert.