Im Fokus Nr. 22 vom 08.06.2023
BMEL: Aktuelle Themen der Agrarhandelspolitik
Unter Leitung von Referatsleiter Herrn Graf von Keyserlingk des Referates 621 – Internationale Handelsangelegenheiten trafen sich am 6. Juni 2023 Vertreter der gesamten Agrarbranche – darunter auch DER AGRARHANDEL – in Berlin zu einem zweistündigen Austausch zu den aktuellen Themen des internationalen Agrarhandels. Immer offensichtlicher wird, dass die EU zunehmend den Ansatz der nachhaltigen Handelspolitik verfolgt. Dies heißt, dass in den zu verhandelnden bilateralen Freihandelsabkommen immer mehr Themen wie Artenschutz, Schutz der Biodiversität, des Waldes und des Meeres aufgegriffen werden. Ziel ist es nach Angaben des BMEL, dass die EU hier eine Führungsrolle weltweit übernimmt. So müssen diese Abkommen das sogenannte TSD-Review durchlaufen (Trade and Sustainable Development). Ende Juni 2023 soll das Abkommen mit Neuseeland unterzeichnet werden; sie haben das Review bereits positiv durchlaufen. Der Marktzugang Australiens wird aktuell verhandelt, dies soll aber bis Ende Juli 2023 beendet sein. Die EU-Kommission rechnet bei diesem Abkommen mit einer Zolleinsparung von ca. einer Milliarde Euro. In Hinblick auf die Gespräche mit Indien und Indonesien berichtet das BMEL, dass hier der Agrarbereich derzeit nicht diskutiert wird. Auf die Frage, inwieweit die Belange der Agrarwirtschaft generell eine Rolle spielen, wurde versichert, dass diese auch immer im Fokus stehen. Aus den Reihen der Teilnehmenden wird das Abkommen mit Kenia kritisiert, etwa nach Ansicht von „Brot für die Welt“ „überschwemmen die Exporte das Land“ und der afrikanische Kontinent werde geteilt. Offenbar bestehen diese Bedenken aber weder seitens des BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) noch der kenianischen Regierung.
Ob die Hoffnung nach mehr Nachhaltigkeit im Mercosur-Abkommen durch den Regierungswechsel in Brasilien berechtigt ist, bleibt abzuwarten. (Die Hoffnungen nach Unterstützung in der europäischen Ukrainepolitik sind offenbar aber nicht berechtigt.) Aktuell thematisiert man vorrangig auch hier den Schutz des Waldes und den EU-Marktzugang für sensible Produkte. Im Übrigen erhofft sich das BMEL, dass Themen wie der Schutz des Waldes die Akzeptanz des internationalen Agrarhandels erhöhen.
In der anschließenden Diskussion wird Kritik am derzeitigen Mercosur-Abkommen seitens der Landwirtschaft geäußert – es sei nicht konsistent mit der europäischen Farm to Fork-Strategie, ebenso müsste die entsprechende Studie des Thünen-Instituts daraufhin geprüft werden. Das Abkommen dürfe nicht vor der Wahl in Europa beschlossen werden, so die Vertretung der Landwirtschaft. Die Stimmigkeit von Handelsabkommen und dem europäischen Green Deal wird auch von anderen Vertretern gefordert. Die weltweit enge Versorgungsbilanz könnte ansonsten wiederum beeinträchtigt werden.
Im Vordergrund dieser Runden, die demnächst wieder regelmäßig auch in Präsenz stattfinden, steht vor allem aber der Austausch untereinander – mit den Verbänden der Agrarwirtschaft, aber auch mit den Kollegen des BMEL. Eine Gelegenheit, die wir nutzen, um den DAH hier immer wieder ins Gespräch zu bringen.
Coceral-Tagungen in Brüssel
In den letzten drei Tagen hat unser europäischer Dachverband Coceral eine Vielzahl an fachlichen Ausschuss-Sitzungen sowie die Vorstandssitzung und Mitgliederversammlung in Brüssel abgehalten (vgl. Bericht von letzter Woche). Der DAH hat seine Positionen und Informationen bereits vorab eingebracht und war ebenfalls vor Ort.
Die eher strategischen Diskussionen im Rahmen der Vorstandssitzung gestern befassten sich in weiten Teilen mit dem Krieg in der Ukraine und seine Folgen für die Agrarwirtschaft sowie mit den Sorgfaltspflichten in den Lieferketten und Entwaldungsfreiheit. Zu den aktuellen Geschehnissen, die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelöst worden sind, bestärkte Coceral seine Grundposition, die man bereits sehr frühzeitig eingenommen hat: Grenzübergänge müssen durchlässiger gemacht werden, sodass der Warenfluss so effizient wie unter diesen Umständen möglich ablaufen kann. Kurzfristig sollte das Ziel sein, die Importbeschränkungen, die von fünf osteuropäischen Mitgliedstaaten durchgedrückt worden sind, schnellstmöglich wieder aufzuheben. Auch der als Gast anwesende Vertreter des europäischen Bauern- und Genossenschaftsverbandes äußerte sich kritisch über die Importbeschränkungen, die von der Primärproduktion in den entsprechenden Mitgliedstaaten ausgelöst worden sind.
Zu den Vorgaben entwaldungsfreier Lieferketten besteht uneingeschränkter Konsens aller Vertreter in Coceral, dass es nach wie vor viel mehr Fragen als Antworten hinsichtlich der praktischen Umsetzung gibt. Entsprechende Leitlinien zur Umsetzung werden wohl erst verfügbar sein (voraussichtlich 2025!), wenn die Verpflichtung für die Unternehmen schon gilt (Inkrafttreten voraussichtlich noch Juni 2023). Sogenannte Fokus-Gruppen zur Erstellung solcher Leitlinien (traceability, due diligence, smallholders) sind seitens der politischen Entscheidungsträger in Brüssel noch nicht einmal zusammengerufen worden. Bei der Kommunikation dieses Themas wird sich Coceral demnach darauf konzentrieren, was die Vorgaben sowie die damit verbundene Unsicherheit in der betroffenen Wirtschaft auslösen wird.
Bevor es dann am Abend in roundtable-Diskussionen mit Vertretern der Generaldirektionen der EU-Kommission und Abgeordneten des Europaparlaments ging, wurden folgende Personen (größtenteils neu) als Präsident, Vizepräsident und Schatzmeister von Coceral gewählt:
- Präsident: Ted Swinkels, Managing Director Cefetra
- Vize-Präsident: Oriol Serrahima, Managing Director Cargill´s Grain business
- Vize-Präsident: Giorgo Dalla Bona, Managing Director Cereal Docks
- Schatzmeister: Jean-Paul Schepens, CEO Schepens & co.
Die nächste Mitgliederversammlung von Coceral findet Ende Mai 2024 in Bukarest statt.
KURZ & KNAPP
Mitgliederversammlung des DAH am 22. Juni 2023
Die ordentliche Mitgliederversammlung des DAH findet am Donnerstag, 22. Juni 2023 von 13:00 – 16:00 Uhr in Mannheim statt. Die Einladung mit der Tagesordnung und weiteren Details sehen Sie hier.
Anmelden können Sie sich über folgenden Link: DAH-Mitgliederversammlung 22.06.2023
Ukraine: Keine Schadstoffe im Getreide
Tschechien hat bislang keine erhöhten Werte von Pflanzenschutzmitteln, Schimmelpilzgiften und anderen Schadstoffen in Getreide, Futtermitteln und anderen landwirtschaftlichen Importen aus der Ukraine festgestellt. Landwirtschaftsminister Zdenek Nekula erklärte am
1. Juni 2023 in Prag, dass es keinen Grund für unnötige Panik gebe. Derzeit werden praktisch alle Agrarimporte aus der Ukraine kontrolliert. Dabei werden die Proben auf über 400 Substanzen untersucht, einschließlich Rückständen von Pflanzenschutzmitteln und Schwermetallen wie Blei und Kadmium. Nekula sprach sich erneut gegen einseitige Einfuhrstopps für ukrainisches Getreide aus, wie sie zuletzt von den übrigen Visegrád-Staaten Polen, Ungarn und der Slowakei verhängt wurden. Die Regierung in Bratislava hatte sich dabei explizit auf eine erhöhte Pestizidbelastung ukrainischen Weizens berufen. Alle drei Länder erlauben weiterhin den Transit von Waren. Die Landwirte in den östlichen EU-Staaten sehen sich aufgrund des zollfreien Imports großer Mengen ukrainischen Getreides, der im Zuge des Krieges ermöglicht wurde, einer unverhältnismäßigen Konkurrenz ausgesetzt.
Welche Faktoren sind entscheidend für die Förderung der Bioökonomie in Deutschland?
Der Bioökonomierat hat kürzlich seine Empfehlungen zur Umsetzung der Nationalen Bioökonomiestrategie veröffentlicht. In einem Papier mit 57 Vorschlägen legte der Bioökonomierat der Bundesregierung seine Handlungsempfehlungen vor, um ressourcenschonende Wirtschaftspraktiken auszubauen. Konkrete Maßnahmen zur Umsetzung sollen in einem spezifischen Umsetzungsplan präsentiert werden. Der Bioökonomierat wurde mit der Aufgabe betraut, Vorschläge und Empfehlungen für diesen Plan auszuarbeiten. Das Expertengremium hat vier vorrangige Handlungsfelder identifiziert, in denen die größten Potenziale für die Förderung der Bioökonomie in Deutschland liegen.
- Nachhaltige Land- und Flächennutzung: Reduzierung der Flächenversiegelung, Verringerung des Fleischkonsums und Schutz vor Landdegradation.
- Maßnahmen zur Treibhausgasreduzierung: Etablierung neuer Technologien und emissionsarmer Produkte sowie politische Instrumente wie Quoten und CO2-Bepreisung.
- Rohstoffwende: Ersetzung fossiler Rohstoffe, Ressourceneinsparung und Nutzung von biogenem CO2 für synthetische Zwecke.
- Rahmenbedingungen für nachhaltige Innovationen: Schaffung von Planungssicherheit, steuerlichen Anreizen und Re-Investitionsmöglichkeiten.
Bioökonomie nachhaltig umsetzen! (biooekonomierat.de)
Entwurf EU-Jahreshaushalt 2024
Am 7. Juni 2023 hat die EU-KOM ihren Entwurf des Jahreshaushaltes vorgestellt. Die entsprechende Meldung finden Sie hier. Demnach beträgt der Haushalt knapp 190 Milliarden Euro für das kommende Jahr. Er wird durch rund 113 Milliarden Euro für Finanzhilfen aus NextGenerationEU, dem EU-Aufbauinstrument für die Zeit nach Corona, aufgestockt. Der Meldung der Kommission ist zu entnehmen: „Folglich unterstützt der EU-Haushalt weiterhin die sechs von Präsidentin von der Leyen festgelegten übergreifenden Ziele: den europäischen Grünen Deal, ein Europa für das digitale Zeitalter, eine Wirtschaft im Dienste des Menschen, die Förderung unserer europäischen Lebensweise, ein stärkeres Europa in der Welt und neuen Schwung für die Demokratie in Europa. Mithilfe des Haushalts 2024 kann die Kommission all diese Prioritäten umsetzen.“
EU-Sojaerzeugung 2023 über Vorjahr
Die Sojaerzeugung der Europäischen Union hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifacht, obwohl das EU-Areal kleiner ausfallen dürfte als noch 2022. Den jüngsten Angaben zufolge erwartet die EU-Kommission für 2023 rund eine Ernte von 2,8 Millionen Tonnen Sojabohnen, knapp 16 Prozent mehr als 2022. Damit dürfte die Europäische Union die größte Sojaernte seit 6 Jahren einfahren.
Westdeutscher Börsentag 2023
Am 20. Juni 2023 lädt die Rheinische Warenbörse e.V. zum Westdeutschen Börsentag in Köln zur traditionellen Schiffsfahrt auf dem Rhein ein. Weitere Informationen sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie in der Einladung.
Änderungen im Lobbyregistergesetz geplant
Die Bundesregierung plant Änderungen im Lobbyregistergesetz. In dieses müssen sich alle Verbände eintragen, die Kontakte zur Bundesregierung pflegen, so ist auch DER AGRARHANDEL dort zu finden. Nun sind Nachschärfungen “im Interesse einer transparenten Staatstätigkeit” vorgesehen. Auffallend ist, dass mit eigentlich allen Änderungen mehr Aufwand und Bürokratie für die betroffenen Unternehmen und Verbände einher gehen würden (z. B. Einbeziehung bereits aller Kontakte in Ministerien ab Referentenebene, Hochladen von Stellungnahmen etc.). Einzige Ausnahme sind die „spendenfinanzierten Organisationen“. Diese sollen entlastet werden durch eine „Fokussierung auf Pflichtangaben zu wesentlichen Finanzierungsquellen“. So sollen Spenden z. B. erst ab einer Summe von 100.000 Euro offengelegt werden. Auf der anderen Seite sollen aber etwa Mitgliedsbeiträge von Verbänden zukünftig explizit ausgewiesen werden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt… Hier hatte es starke Kritik von NGOs an der bisherigen Verpflichtung gegeben, die Namen der Spender ab 10.000 Euro zu nennen. Die Erleichterung spielt natürlich einer Organisationsstruktur wie etwa Greenpeace in die Hände, wo (bis auf die 7 für die Gründung erforderlichen Mitglieder) keine Vereinsmitgliedschaften möglich sind, Großspenden aber gern entgegengenommen werden. Wir werden gemeinsam mit unserem Dachverband BGA deutlich intervenieren und einfordern, dass es keine Unterscheidung zwischen „guten“ spendenfinanzierten Vereinen und „bösen“ auf Mitgliedsbeitragsbasis arbeitenden Verbänden geben darf.