Im Fokus Nr. 28 vom 20.07.2023
Stopp des Getreideabkommens: AGRARHANDEL bezieht Stellung
DER AGRARHANDEL e.V. (DAH) kritisierte in einer Pressemeldung am 17. Juli 2023 scharf die Anfang der Woche von Russland getroffene Entscheidung, das Abkommen zur Verschiffung von ukrainischem Getreide zu stoppen. Es soll erst wieder in Kraft treten, wenn Wirtschaftssanktionen gegen Russland gelockert werden. Die Folgen der Aufkündigung dürften schon bald spürbar sein. „Diese Entscheidung ist eine Katastrophe. Die Agrarwirtschaft ist für die Ukraine lebenswichtig, das Abkommen sollte unbedingt aufrechterhalten werden“, stellt Martin Courbier, Geschäftsführer des DAH, klar. Die lukrative Bewirtschaftung des überhaupt noch zu bestellenden Ackerlandes in Kriegszeiten sei bereits eine riesige Herausforderung für die ukrainischen Landwirte – und nun käme durch die Blockade Russlands weitere Unsicherheit dazu.
Russland rechtfertigt den Stopp des Abkommens unter anderem damit, dass sowieso nur ein geringer Teil der Ernte-Exporte armen Staaten im Rest der Welt zugutekämen. „Völlig außer Acht gelassen wird allerdings die Tatsache, dass durch die Exporte die Preise für Lebensmittel weltweit gesenkt werden konnten und auf einem angemessenen Niveau blieben“, so Courbier.
Des Weiteren sei die Ukraine auf die Einnahmen aus den Exporten angewiesen, erklärt der DAH. Agrarwirtschaft ist für das Land lebenswichtig, wie Zahlen des ukrainischen Wirtschaftsministeriums belegen: 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden durch die Landwirtschaft erwirtschaftet, 20 Prozent der Arbeitnehmer beschäftigt und 40 Prozent der Deviseneinnahmen erzielt. „Das zeigt deutlich, was diese Entscheidung für die Ukraine, aber auch ärmere Länder weltweit bedeuten kann“, fasst Courbier zusammen.
Die heutige Entscheidung Russlands mache außerdem deutlich, dass sich die ukrainische Agrarwirtschaft perspektivisch unabhängiger von dem Getreideabkommen machen muss. „Der Fokus muss jetzt auf dem Hafenumschlag im Donaudelta liegen. Auch der Ausbau für Bahnfracht zu den Seehäfen von Adria, Nord- und Ostsee muss vorangebracht werden“, fordert der Verband. Kurzfristig Abhilfe schaffen könnte außerdem eine bessere logistische Abwicklung, insbesondere an den EU-Außengrenzen. „Es würde auch helfen, wenn das zulässige LKW-Gesamtgewicht für grenzüberschreitende Transporte angehoben würde, um möglichst unbürokratisch für eine Effizienzsteigerung der Transporte zu sorgen“, erklärt Courbier abschließend.
KURZ & KNAPP
Rat beschließt Unterzeichnung des Freihandelsabkommens EU – Neuseeland
Die EU und Neuseeland haben am 27. Juni 2023 die Verhandlungen über ein Handelsabkommen abgeschlossen, das Unternehmen und Verbrauchern auf beiden Seiten erhebliche wirtschaftliche Chancen eröffnen soll. Das Abkommen enthält auch umfassende Nachhaltigkeitsverpflichtungen, darunter die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und grundlegender Arbeitnehmerrechte, die als letztes Mittel durch Handelssanktionen durchgesetzt werden können.
Der bilaterale Handel soll dank dieses Abkommens um bis zu 30 Prozent zunehmen, wobei die jährlichen Ausfuhren der EU um bis zu 4,5 Milliarden Euro steigen könnten. Die EU-Investitionen in Neuseeland könnten um bis zu 80 Prozent steigen. Durch das Abkommen können EU-Unternehmen ab dem ersten Jahr der Anwendung jährlich rund 140 Millionen Euro an Zöllen einsparen.
Die ausgehandelten Textentwürfe sollen in Kürze veröffentlicht werden. Diese Texte werden einer juristischen Überarbeitung unterzogen („Legal Scrubbing”) und in alle EU-Amtssprachen übersetzt. Im Anschluss daran wird die Europäische Kommission dem Rat das Abkommen zur Unterzeichnung und zum Abschluss vorlegen. Nach der Annahme durch den Rat können die EU und Neuseeland das Abkommen unterzeichnen. Nach der Unterzeichnung wird der Text dem Europäischen Parlament zur Zustimmung vorgelegt. Nach der Zustimmung durch das Parlament und der Ratifizierung durch Neuseeland kann das Abkommen in Kraft treten.
EU-Umweltforderungen für Mercosur sind „inakzeptabel“
Argentinien und Brasilien haben vor dem Hintergrund der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den Mercosur-Staaten und der EU umweltpolitische Forderungen aus Brüssel als „inakzeptabel“ zurückgewiesen. Die EU „präsentiert uns eine einseitige Vision der nachhaltigen Entwicklung, exzessiv ausgerichtet auf die Umwelt“, sagte der argentinische Präsident Alberto Fernandez, Gastgeber des Mercosur-Gipfels in Puerto Iguazú.
Das Abkommen zwischen der EU und der derzeit aus Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay bestehenden Freihandelszone Mercosur war bereits im Jahr 2019 beschlossen worden. Es wurde jedoch bislang nicht ratifiziert. Dies hing teilweise mit europäischen Bedenken zur Umweltpolitik des von 2019 bis 2022 amtierenden rechtsextremen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro zusammen.
Infolge der Übernahme der Präsidentschaft durch den linksgerichteten Luiz Inácio Lula da Silva im Januar 2023 waren die Gespräche über das Abkommen wieder aufgenommen worden. Die Mercosur-Staaten stören sich jedoch an den in einem Zusatzdokument zu dem Abkommen enthaltenen Umweltanforderungen an die südamerikanischen Staaten, welche die Landwirtschaft betreffen. Brasiliens Präsident Lula sagte, das Dokument sei „inakzeptabel“.
Argentinien und Brasilien sind die beiden größten Volkswirtschaften in Südamerika. Lula, der am letzten Dienstag den rotierenden Vorsitz der Mercosur-Gruppe übernahm, kündigte an, er werde einen Gegenvorschlag vorbereiten. Es sei „unerlässlich, dass der Mercosur eine schnelle und energische Antwort“ auf die europäischen Forderungen vorlege. In Brüssel findet am 17. und 18. Juli erstmals seit acht Jahren ein Gipfeltreffen der EU und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac) statt. Die Mercosur-Zone umfasst derzeit 67 Prozent der Wirtschaftsleistung Südamerikas.
Verlust landwirtschaftlicher Flächen
Laut der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der AfD-Fraktion schrumpft die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Deutschland. So hat die Landwirtschaft zwischen 1992 und 2021 fast 15.000 Quadratkilometer ihrer Flächen verloren. Die Bundesregierung verweist dabei auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes. „Grund für den Rückgang ist der Flächenverbrauch von derzeit rund 52 Hektar pro Tag für Siedlungs- und Verkehrsflächen. Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, den Verbrauch bis 2030 auf weniger als 30 Hektar pro Tag zu senken. Weiter weist die Bundesregierung in ihrer Antwort „hinsichtlich des Flächenbedarfs durch PV-Freiflächenanlagen unter anderem auf eine Studie der Ressortforschung des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung, die Schätzungen für verschiedene Ausbauziele enthalte. Eine Bewertung durch die Bundesregierung erfolge, wenn ein zum Jahresende 2023 erwarteter Erfahrungsbericht zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz vorliege. Zur Zahl der Windkraftanlagen und zu den Auswirkungen des EU-Gesetzes auf die Landwirtschaft äußert sich die Bundesregierung mit Verweis auf offene Fragen und laufende Verhandlungen auf EU-Ebene nicht konkret.“
EU und Kenia einigen sich auf Wirtschaftspartnerschaftsabkommen
Die Europäische Union und Kenia haben am 19. Juni 2023 die Verhandlungen über ein gemeinsames Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) abgeschlossen. Das WPA soll dazu beitragen, den Warenhandel zwischen der EU und Kenia zu vereinfachen – und die Märkte gegenseitig mehr zu öffnen. So sollen beispielsweise Zölle für bestimmte Erzeugnisse reduziert werden und teilweise sogar wegfallen. Auch wurden gemeinsame Ziele für mehr Nachhaltigkeit vereinbart.
Erster DBV-Erntebericht 2023
Die Wintergerste sorgt laut erstem Erntebericht des Deutschen Bauernverbandes (DBV) in weiten Teilen des Landes für einen guten Start in die diesjährige Ernte. Nach der in vielen Regionen Deutschlands lange anhaltenden Trockenheit im Frühjahr und im Frühsommer war dies nicht unbedingt zu erwarten, die Vorernteeinschätzungen waren entsprechend vorsichtig. Nun aber ist fast überall die Ernte der Wintergerste abgeschlossen und das Ertragsniveau liegt mit 7,4 Tonnen/Hektar über dem des letzten Jahres (7,1 Tonnen/Hektar). Die Gesamterntemenge dürfte sich damit in diesem Jahr auf ca. 9,5 Millionen Tonnen belaufen (2022:
8,7 Millionen Tonnen). Auch qualitativ konnte die Wintergerste überzeugen, vereinzelt wird allerdings von Schmachtkorn und niedrigen Eiweißgehalten berichtet.
Bei den anderen Druschfruchtarten sind bisher nur wenige Flächen geerntet worden. Die vorliegenden Ergebnisse lassen vermuten, dass Winterweizen und Winterraps mehr unter der Trockenheit gelitten haben als die Gerste.
Der DBV-Erntebericht basiert auf Meldungen aus den 18 Landesbauernverbänden über die tatsächlich geernteten Flächen und erzielten Erträge sowie aktuellen Ertragsschätzungen. Der zweite DBV-Erntebericht folgt am 3. August 2023.