Im Fokus Nr. 33 vom 24.08.2023
Hat der Green Deal noch eine Chance?
Die EU-Wahlen im Juni 2024 nahen und jede Richtlinie oder Verordnung, die bis dahin nicht verabschiedet ist, steht vor einer ungewissen Zukunft unter einem neuen Parlament und einer neuen Kommission. So bleibt den EU-Institutionen immer weniger Zeit, um zentrale Gesetzesvorhaben im Agrar- und Ernährungsbereich umzusetzen. Auf dem Spiel stehen aktuell vor allem die Ambitionen in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Man merkt, dass die EU-Parteien bereits in den Wahlkampf übergehen und agrarpolitische Fragen zunehmend politisiert werden.
So läuft auch die Zeit für einen vom DAH eng begleiteten Vorschlag der EU ab: Die Verordnung über den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden (SUR), in der die Kommission vorschlägt, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 zu halbieren. Das umstrittene Gesetz, das bereits Monate später als ursprünglich geplant vorgeschlagen worden war, hat seitdem immer wieder Verzögerungen erfahren. Da die Abstimmungen in den parlamentarischen Ausschüssen um mehrere Monate verschoben wurden und der Rat erst vor kurzem eine zusätzliche Folgenabschätzung erhalten hat, die er von der Kommission angefordert hatte, besteht Grund zur Annahme, dass das Gesetz nicht mehr rechtzeitig vor den Wahlen ratifiziert werden kann.
Es wird außerdem erwartet, dass die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein Gesetz über nachhaltige Lebensmittelsysteme erst im dritten Quartal 2023 vorlegen wird. Ursprünglich als übergreifende Gesetzgebung für die „Farm to Fork“-Strategie angekündigt, wird nun befürchtet, dass sich der Vorschlag am Ende vor allem auf die Lebensmittelsicherheit konzentrieren könnte.
Im Dezember läuft zudem die derzeitige EU-Zulassung für Glyphosat aus. Daher steht die Frage einer erneuten Zulassung ganz oben auf der Tagesordnung. Die Entscheidung darüber wird bis zum Herbst erwartet, wie ein kürzlich lancierter Berichtsentwurf nahelegt. Anfang Juli war die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA zu dem Schluss gekommen, dass die Verwendung von Glyphosat als Wirkstoff in der Unkrautbekämpfung keine „kritischen Bedenken“ aufwirft. Der vollständige Bericht wurde am 26. Juli 2023 veröffentlicht und könnte den Weg zur Wiederzulassung ebnen.
Die Aufgabe, zentrale Elemente des Green Deals zu verabschieden, könnte auch zusätzlich dadurch erschwert werden, dass der Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans Brüssel voraussichtlich verlassen will, um für das Amt des niederländischen Premierministers zu kandidieren. Er gilt als starker Verfechter der „Farm to Fork“-Strategie.
Es bleibt also abzuwarten, welche Entscheidungen noch in diesem Jahr getroffen werden. Denn auch viele Staats- und Regierungschefs der EU fordern einen Stopp neuer Umwelt- und Klimagesetze. Zudem erstarkt der rechte Flügel des Europäischen Parlaments zusehends und wendete sich kürzlich geschlossen gegen das geplante Renaturierungsgesetz.
Der Umfragetrend deutet insgesamt auf einen Rechtsruck bei der Wahl 2024 hin – größte Verlierer wären dann die Grünen. Doch losgelöst von der Parteizugehörigkeit wird die wichtigste Aufgabe der nächsten Europäischen Kommission im Bereich der Umweltpolitik erstmal darin bestehen, sicherzustellen, dass die bereits vereinbarten Gesetze in den EU-Ländern ordnungsgemäß umgesetzt werden, um ein einheitliches Level-Playing field zu schaffen und die selbst gesteckten Ziele zu erreichen.
KURZ & KNAPP
Änderungen des Düngerechts auf der Zielgeraden
Die Bundesregierung will das Düngerecht erneut anpassen – der DAH hat das im Betriebsmittelausschuss im Mai thematisiert. Ziel ist es, ein Inkrafttreten noch in diesem Jahr zu ermöglichen. In der Diskussion steht ein Paket aus geändertem Düngegesetz, angepasster Stoffstrombilanzverordnung und einer neuen gesetzlichen Vorschrift, mit der ein Düngemonitoring ermöglicht werden soll. Im ersten Schritt erfolgt die Anpassung des Düngegesetzes. Nötig ist dies insbesondere vor dem Hintergrund einer jahrelangen Auseinandersetzung mit der Europäischen Kommission bezüglich der Nitratbelastung. Das geplante Düngepaket soll Strafzahlungen an die EU dauerhaft abwenden und den Betrieben Planungssicherheit geben. Die Anpassungen des Düngegesetzes sind rechtlich notwendig, um EU-Recht umzusetzen, die Stoffstrombilanz-Verordnung zu optimieren und eine Verordnung zum Wirkungsmonitoring der Düngeverordnung einführen zu können. Zudem wird die neue EU-Verordnung zum Inverkehrbringen von EU-Düngeprodukten in nationales Recht umgesetzt. Die zur Änderung der Stoffstrombilanzverordnung erforderlichen Rechtsgrundlagen sind nun im Änderungsentwurf des Düngegesetzes berücksichtigt. Sie dienen der Umsetzung auf der Basis des vorgelegten Ergebnisberichts zur Evaluierung der Stoffstrombilanzverordnung, der dem Deutschen Bundestag im Dezember 2021 vorgelegt wurde. Die Änderung des Düngegesetzes soll weiterhin dazu führen, dass künftig die Düngedaten landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen einer Monitoringverordnung nachvollzogen und bewertet werden können. Zudem soll diese Datenbasis bei zukünftigen Änderungen der Düngeverordnung ermöglichen, gezieltere Maßnahmen zu erarbeiten – zum Beispiel um Betriebe zu entlasten, die schon wasserschonend arbeiten.
Zusätzliche Schritte zur Erreichung der Klimaziele erforderlich
Der neueste Projektionsbericht, der 2023 von der Bundesregierung unter Federführung des Umweltbundesamts (UBA) veröffentlicht wurde, analysiert die aktuelle Klimaschutzpolitik. Der Bericht verdeutlicht, dass die nationalen Klimaziele für die Jahre 2030 und 2045 nicht ohne weitere Maßnahmen erreicht werden können. Obwohl die Gesamtlücke im Vergleich zur vorherigen Prognose um 70 Prozent verringert werden konnte, beläuft sich die verbleibende Lücke bis 2030 immer noch auf 331 Millionen Tonnen an klimaschädlichen Treibhausgasemissionen. Selbst durch bereits geplante Maßnahmen wird diese Lücke nicht gänzlich geschlossen werden können. Das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045 würde unter den derzeitigen Bedingungen nicht realisiert werden können. Erfreulich ist, dass der Landwirtschaftssektor seine im Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) festgelegten Zielwerte mehr als erfüllt und damit teilweise die Zielverfehlungen der anderen Sektoren kompensiert.
Den vollständigen Bericht sehen Sie hier: Projektionsbericht 2023 für Deutschland (umweltbundesamt.de)
EU verstimmt wegen Subventionen
US-Präsident Joe Biden feierte letzte Woche das einjährige Bestehen des als Inflationsreduzierungsgesetz bekannten historischen Klimaschutzpakets seiner Regierung. Der Präsident warb bei einer Rede im Weißen Haus mit dem Maßnahmenbündel, das rund 370 Milliarden Dollar (knapp 340 Milliarden Euro) für Energiesicherheit und Klimaschutz vorsieht – die größte Investition in den Kampf gegen die Erderwärmung in der US-Geschichte. Das Gesetz soll erneuerbare Energien massiv ausbauen und damit auch das Wirtschaftswachstum fördern.
Biden, der bei der Präsidentschaftswahl im November 2024 für eine zweite Amtszeit antritt, will auch im Wahlkampf mit dem Gesetz punkten. Der Demokrat hatte den Text am
16. August 2022 unterzeichnet. Das Gesetz sorgte in der Folge zwischenzeitlich für Verstimmungen: Die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten warfen der USA wegen der milliardenschweren Subventionen für grüne Technologien aus den USA Handelsprotektionismus und eine Benachteiligung europäischer Unternehmen vor.
Veröffentlichung des OECD-FAO Handbuchs für „Deforestation and Due Diligence in Agricultural Supply Chains“
Dieses Handbuch soll Unternehmen dabei helfen, Entwaldungsrisiken in globalen landwirtschaftlichen Lieferketten durch risikobasierte Sorgfaltspflichten anzugehen. Es richtet sich speziell an Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft, die Rohstoffe und Produkte beziehen oder verwenden, die mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung gebracht werden können und kann von Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette – von der Produktion bis zum Einzelhandel – verwendet werden.
Das Handbuch ist explizit nicht dazu gedacht, spezifische Anleitungen für die Umsetzung von verbindlichen Vorschriften wie der EUDR zu geben. Für Unternehmen, die sich mit der Sorgfaltspflicht vertraut machen müssen, kann es jedoch eine nützliche Einführung und Unterstützung sein, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf den Bedürfnissen von KMU liegt.