Berlin/Hamburg, 13.05.2025

Podiumsdiskussion im Vorfeld der HAMBURG BÖRSE

Der Paradigmenwechsel im Agrarhandel von einem multilateralen zu einem machtbasierten Ansatz ist längst Realität. Doch wenn die notwendigen Reformen zügig und konsequent angegangen werden, könne Deutschland wieder zur Wachstumslokomotive in Europa werden. Diese Zuversicht einte die Podiumsteilnehmer der Veranstaltung „Globale Agrarmärkte im Wandel“, die DER AGRARHANDEL (DAH) letzte Woche im Vorfeld der HAMBURG BÖRSE durchführte.

Besonnene Reaktion der EU auf Spaltversuche der USA

Einführend verwies der Präsident des DAH, Rainer Schuler, auf die Herausforderungen insbesondere durch geopolitische Spannungen, Klimawandel und Logistikprobleme. Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank AG, zeigte sich verwundert darüber, dass die Ausschläge an den Börsen zurzeit nicht so auffällig seien, wie es das Ausmaß an grundlegenden Veränderungen im Welthandel vermuten ließe. Wichtig sei, dass der Rest der Welt sich nicht von den USA spalten lasse. Doch die besonnene Reaktion der EU gäbe Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Offenbar spürten die USA gerade, dass ihre Verhandlungsposition nicht so günstig sei, wie zunächst geglaubt. Gerade die Chinesen seien nicht mehr länger bereit die Hegemonie der USA zu akzeptieren.

Infrastrukturprogramm mit begleitenden Reformen kann Wirtschaft ankurbeln

De la Rubia beurteilte das von der neuen Bundesregierung aufgesetzte Infrastrukturprogramm als sehr positiv. Deutschland habe 20 Jahre vom Kapitalstock gelebt und notwendige Instandsetzungen verschleppt. Doch die Erkenntnis habe sich durchgesetzt, dass man wirtschaftlich stark sein müsse, um dem Vorgehen Trumps etwas entgegen setzen zu können. Eindrücklich war sein Beispiel, dass die Restriktionen für grenzübergreifende Dienstleistungen in der EU einem Zollsatz von 40 Prozent entsprächen. Hier müssten dringend Deregulierungen erfolgen. Notwendige Reformen auch im Energiebereich oder zur Bekämpfung des Fachkräftemangels seien für Unternehmen wichtig, um perspektivisch wieder Kapazitäten aufzubauen und langfristig zu investieren. Entscheidungen dürften nicht nur nach aktueller Finanzlage fallen. Wenn dies richtig gemacht werde, sei nach seiner Einschätzung im nächsten Jahr ein Wachstum von 1,6 Prozent möglich.

Agrarbranche ist anpassungsfähig

Thorsten Tiedemann, Vorstand / COO Getreide AG gab sich optimistisch, was die Anpassungsfähigkeit der Branche an geänderte Lieferkettenströme anbetraf. Die in der EU nachgefragte Ware würde ihre Wege schon finden, allerdings teilweise mit deutlich gestiegenem Aufwand, etwa bei der Beobachtung von Importursprüngen. Hinsichtlich der Preisveränderungen gab er sich abwartend: Es könne durchaus sein, dass die durch die Zölle steigenden Kosten am Ende von den Exporteuren und damit den US-Landwirten getragen werden müssten.

Anerkennung unterschiedlicher Interessen beim Abschluss von Handelsabkommen wichtig

Dr. agr. Bettina Rudloff, Stiftung Wissenschaft und Politik, richtete den Blick auf anstehende Handelsabkommen. Dabei mahnte sie an, die divergierenden Interessenslagen der Partnerländer zu berücksichtigen. Die Welt habe sich auch unabhängig von Trump verändert. Wenn die EU weiter mitspielen wolle, müsse sie sich bewegen und auf Bedürfnisse anderer eingehen. Der Ansatz, Nachhaltigkeits-Aspekte in Abkommen zu verankern sei zwar nachvollziehbar, doch unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen könnten auch Motor für Fortschritt sein. Alles in allem zeige sich der Agrarsektor resilienter als der Industriebereich, wenn man auf Zahlen blicke.

Verschiebung von Lieferketten Folge der US-Zollpolitik

Dr. Ernst Albrecht, Manager Global Grain Market Analysis ADM, stellte bereits erste Auswirkungen der Zollpolitik auf den Handel mit Mais und Soja fest. China deckt bislang 30-40 Prozent seines Bedarfs an Sojabohnen mit Importen aus den USA, diese Mengen müssen bei einem zollbedingten Importstopp im Rest der Welt untergebracht werden. Wenn die EU, Zölle auf Sojabohnen und Mais erheben würde, wäre dies die nächste Eskalationsstufe, die eine weitere Verschiebung der Lieferketten zur Folge hätte. Es könnte zu der Situation kommen, dass Europa mit China in Südamerika um Soja konkurriert und die USA ihre Bestände nicht im Markt platzieren könnten. Beeindruckt zeigte sich Albrecht von der Resilienz der Ukraine. Der Produktionsrückgang sei fast nur auf die Besetzung von Flächen durch Russland zurückzuführen, hier war die Erwartungshaltung deutlich schlechter. Das Offenhalten der Handelsströme über die Schwarzmeer- und Donauhäfen sei extrem wichtig, um der Ukraine weiterhin die Beteiligung am Welthandel zu ermöglichen und den Landwirten Einkommen zu sichern.

Logistische Herausforderungen der komplexen Hafenstrukturen

Einen Blick auf die logistischen Herausforderungen, die sich im Agrarhandel stellen, warf Axel Mattern, Vorstand der Hafen Hamburg Marketing e.V. Er stellte dar, wie sich der Hamburger Hafen für die Herausforderungen der Zukunft wappnen müsse. Der Hafen sehe sich in der aktuellen Lage zunehmend mit Themen rund um Sicherheit- und Resilienz konfrontiert. Sorgen mache er sich um den Weitertransport auf der Schiene, hier müsse die Bahn umfassend Strecken ertüchtigen, auch die Binnenschifffahrt habe nicht die Lobby, die sie benötige. Dabei sei der Transport auf den Binnenwasserstraßen verhältnismäßig günstig und nachhaltig.

Die vielen aufgeworfenen Aspekte der Diskutanten und aus dem Publikum wurden von Moderator Philipp Schilling immer wieder zu einem roten Faden zusammengeführt. Wer die gesamte Diskussion nachhören möchte, dem sei die Sonderfolge seines Agrarmarktpodcastes empfohlen, die eine Aufzeichnung der Veranstaltung enthält.

 

DER AGRARHANDEL

DER AGRARHANDEL ist die Interessenvertretung des Agrarhandels in Deutschland. Seine Mitgliedsunternehmen beliefern die Landwirtschaft mit Saatgut, Pflanzenschutz- und Düngemitteln sowie Futtermitteln. Sie erfassen bundesweit Agrarrohstoffe, wie Getreide und Ölsaaten, und vermarkten sie als Nahrungs- und Futtermittel im In- und Ausland. Auch zählen internationale Im- und Exporteure sowie Makler von Agrarerzeugnissen zu den Mitgliedern. DER AGRARHANDEL ging 2022 aus einer Verschmelzung des Bundesverbands Agrarhandel e.V. (BVA) und des Vereins der Getreidehändler der Hamburger Börse e.V. (VdG) hervor. Er unterhält Geschäftsstellen in Hamburg und Berlin.

 

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2025-05-13_PM_Globale Agrarmärkte